ISLAND: Die Wahrheit über Trolle, Weihnachten und Reykjaviks Nachtleben
Auf leuchtende Nordlichter habe ich gehofft, doch getroffen habe ich zwei düstere Gestalten, was im Dezember nicht weiter verwunderlich ist, habe ich mir sagen lassen. Trolle werden bei Sonnenlicht zu Stein, doch in Islands dunkler Vorweihnachtszeit trauen sie sich, ihre Höhlen zu verlassen.
Der weihnachtliche Duft, die festliche Beleuchtung in allen Häusern und Winkeln des Landes scheint sie magisch anzuziehen. Man kann es ihnen nicht verdenken. Wunderschön ist Island unter seiner weißen, weichen Decke und dem behaglichen Licht, das sich in allen Fenstern spiegelt.
Hält man die Augen ein wenig offen und torkelt wie wir, zu später Stunde, beschwingt mit Gull und wärmenden Tee/Kaffee mit Schuss intus durch Reykjaviks berühmt berüchtigte Kneipengassen, blickt hi und da mal in dunklere Ecken, dann ist es nicht weiter verwunderlich, Grýla selbst oder einem ihrer 13 Söhne zu begegnen.
Oh Schreck! Grýla ist wahrlich ein hässliches, garstiges Weib, das bereits seit Jahrhunderten Angst und Entsetzen verbreitet. Schauerlich wie wir uns so Auge in Auge gegenüberstehen. Doch sie will mir nichts Böses. Sie hat Eile und andere Absichten: Die Winterwelt zu begutachten, in die sie demnächst wieder ihre Söhne schicken wird. Die garstige alte Hexe führt nämlich ein strenges Regiment Zuhause.
Weder ihr meist schlafender, schnarchender Mann noch Söhne haben etwas zu lachen. Sie ist stinkfaul, herrisch und vom Kochen versteht sie nichts. Ihre 13 Söhne lässt sie so gut wie nie aus der heimischen Höhle. Außer im Dezember, wenn es draußen so richtig kalt wird und der Schnee fällt, wird ihr Herz ein wenig weicher und sie erlaubt ihren Söhnen, den Jólasveinar (Weihnachtsgesellen), einem nach dem anderen vom Hochland hinunter in die Stadt zu wandern.
Den weiten und beschwerlichen Weg nehmen die Jungs nur zu gerne in Kauf, um endlich ihrer Höhle und den Fängen ihrer ruppigen Mutter zu entkommen, Menschen anzutreffen und Schabernack mit ihnen zu treiben. Mädchen, nehmt euch in Acht, sie lupfen nur zu gerne auch die Röcke! Obendrein stehlen sie wie die Raben. Insbesondere auf das Essen der Menschen haben sie es abgesehen – was bei den Kochkünsten der Mutter nicht weiter verwunderlich ist – und haben den Auftrag, unartige Kinder zu verschleppen.
Die langen Jahre und das vererbte, sanftere Gemüt ihres Vaters jedoch haben sie milder gestimmt. Dem Willen der Mutter haben sie sich wiedersetzt. Kinder werden nicht mehr geraubt, dafür bringen sie nun von Zeit zu Zeit Geschenke als Gegenleistung für das geraubte Essen. Außer wer nicht brav war, der bekommt eine Kartoffel in seinen Schuh.
Satt und zufrieden kehren die Weihnachtstrolle dann nach und nach bis zum 6. Januar wieder zu ihrer Mutter zurück …
Da blicke ich Grýla noch in die Augen, nehme meinen Mut zusammen und möchte mit ihr sogleich ein Wörtchen über vernünftige Kindererziehung, dem Loslassen-Können und einer klugen Haushaltsführung reden – vom Kochen verstehe ich ja selbst nichts – ist sie auch schon wieder verschwunden und zurück bleibt nur ein übler Geschmack und ein leichter Schmerz im Kopf macht sich breit … oh, oh.
In diesem Sinne, Euch noch eine schöne Weihnachtszeit und erinnert Euch an meine Worte, sollte ihr einmal nach Island reisen: Trolle in Island gibt es wirklich und Reykjaviks Nachtleben ist tückisch!
Oh, die Dame kannte ich noch nicht! Hässlich wie die Nacht – du hattest recht! Sonnige Grüße, Jutta
Hallo Eva, wunderschöne Geschichte. Ich liebe Island, war leider noch nie da. Und Trolle finde ich wunderbar.. Es gibt ein Buch über sie, „Isländische Trolle“ von Brian Pilkington. Kann ich wärmstens empfehlen, wenn man Trolle mag. Viele Grüße Suse
Danke, Suse! Ja, das Buch ist herrlich. Ich hab es meiner Tochter aus Island mitgebracht und wir alle lieben es.
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Ich war jetzt schon 3x auf Island und recherchiere gerade tolle Ecken für mein 4tes mal. Bin dabei auf deinen Blog gestoßen. Wirklich sehr toll, werde ich jetzt öfter als Inspiration lesen.