La Gomera pfeift uns was! Ökotourismus auf der kleinen Kanareninsel.

„Du musst deine Finger krümmen, in den Mund stecken, die Zunge mit der Fingerkuppe runterdrücken und dann pusten“, demonstriert uns Òscar. Dann zwitschert er auch schon los.

Was an das Getriller von Kanarienvögel erinnert, ist eine der wohl seltsamsten Sprachen der Welt.

El Silbo heißt die Pfeifsprache auf La Gomera. Damit verständigen sich die Einheimischen über Täler und Schluchten hinweg – steht der Wind günstig, ist das Gepfeife bis zu acht Kilometer weit zu hören – und seit 1999 ist El Silbo Pflicht-Schulfach.

 

El Silbo – La Gomeras Pfeifsprache

Die Bevölkerung der unzugänglichen spanischen Kanareninsel La Gomera hat bereits vor mehreren Hundert Jahren aus der Not eine Tugend gemacht und eine Pfeifsprache entwickelt, die einzigartig ist. El Silbo leitet sich vom Verb „silbar“ (pfeifen) ab.

Heute jedoch wird El Silbo nur noch selten für die tägliche Kommunikation genutzt, schließlich wollen in Zeiten des Internets und der Smartphones immer weniger El Silbo lernen.

Außerdem machen die Geräusche des Alltags wie Motorenlärm die Verständigung immer schwieriger. „Es muss ruhig sein“, erklärt Òscar, „in den Städten und größeren Orten ist El Silbo daher längst ausgestorben.“

Dafür aber wird es als wichtiges Kulturgut gehegt und gepflegt. 1982 wurde die El-Silbo-Sprache von der UNESCO in die Liste der erhaltenswerten Kulturgüter aufgenommen und last but not least dient es, uns Bauklötze staunenden Touristen, auch der Unterhaltung.

Òscar hat inzwischen Mario herbeigepfiffen und die beiden zwitschern sich Einen zu unserer aller Belustigung.

Eine hochtrabende Konversation lässt sich mit El Silbo freilich nicht betreiben. Geschickten „Silbadores“ ist es dennoch möglich, minutenlange Unterhaltungen zu führen oder immerhin wichtige Botschaften weiterzugeben.

„Die verspiegelte Sonnenbrille gehört der jungen Dame mit den Pferdeschwanz – jung?!! der Charmeur meint mich – und die Kamera dem Herren mit Bauch“. Oder hat er etwa „Plauze“ gepfiffen?

So oder so bekommen wir unter Beifall an die Pfeifkünstler letztlich wieder unsere elementare Ausrüstung für La Gomera zurück.

La Gomera pfeift auf Kälte und Unspektakuläres

Denn La Gomera pfeift nämlich auf so Einiges.  Kälte zum Beispiel. Verlass ist hingegen auf die Sonne. Jeden Abend plumpst sie ins Meer. Das milde Klima mit etwa 2700 Sonnenstunden, fast 7,5 Stunden täglich, erlaubt an kleinen ruhigen Buchten im Süden Badefreuden rund ums Jahr.

Unter Palmen und Sonne mit Blick auf die Atlantikwellen kann man gelassen vom Alltagsstress entspannen.

Als reines Badeziel, da muss man allerdings ehrlich sein, ist La Gomera nicht besonders geeignet. Weite Sandstrände à la Fuerteventura sucht man auf der größtenteils von Steilküste begrenzten Insel vergebens und im nördlichen Teil machen die Passatwolken jedwede Wetterprognose zum Ratespiel.

Seine Kamera sollte man trotzdem immer auf Anschlag haben. Die zweitkleinste Kanareninsel sorgt mit uralter Vulkanlandschaft, überwuchert von üppiger subtropischer Vegetation, faszinierend schön und abwechslungsreich, für zahlreiche Natur-Spektakel auf kleiner Fläche.

La Gomera, einst DAS Idyll für zivilisationsmüde Aussteiger, ist inzwischen beliebtes Ziel für Aktive und Genießer jedes Alters geworden. Ein Paradies für Wanderer. Auch die „Hippie-Spinner“, wie sie manchmal augenzwinkernd genannt werden und Alltagsmüden fühlen sich fortwährend angezogen, denn noch ein seltenes Gut besitzt die Insel: Entschleunigung.

„Auf La Gomera mahlen die Mühlen anders“, sagt Melanie von Gomeraguide, die vor fast 20 Jahren deutsches Usselwetter gegen Meer und Vulkangestein eingetauscht hat und seither auf der Insel lebt. Hier geht alles viel langsamer, ergänzt sie. „Wer zu uns kommt, weiß Entschleunigung zu schätzen“.

Als Wanderführer ist sie gut gebucht, denn die Touristen, die nach Gomera kommen, sind großteils Naturliebhaber. Hier gibt es mehr Palmen als auf allen anderen Kanarischen Inseln und knapp 200 endemische Arten – Pflanzen und Tiere, die nirgends sonst zu finden sind.

 

La Gomera pfeift nicht auf Umweltschutz

Melanie setzt sich mit ihrem Unternehmen Gomeraguide aktiv für den Umweltschutz und den Erhalt der Artenvielfalt auf der Kanareninsel ein. Sie hat sich zusammen mit einigen lokalen Tourismusanbietern ATUSOS, der Gesellschaft für nachhaltigen Tourismus auf La Gomera angeschlossen und haben es sich zur Aufgabe gemacht, ihre Unternehmen möglichst nachhaltig zu führen, den ökologischen Tourismus auf der Insel weiterzuentwickeln und generell das Umweltbewusstsein auf der Insel zu schärfen.

Auch Excursiones Tina ist Mitglied der Vereinigung und bietet Boottrips und Walbeobachtungstouren ab dem Hafen Vueltas im Valle Gran Rey.

La Gomera pfeifft auf Massentourismus

Malerisch liegt Vueltas im „Valle“ am Fuß des steil aufragenden Barranco de Argaga. In dem Fischerdorf hat sich in den letzten Jahrzehnten der Tourismus ausgebreitet, dennoch geht es noch immer beschaulich zu und man kann von der Mole aus beobachten, wie kleine Fischkutter mit ihrem Fang heimkehren.

Und wer sich vor der Hafenkneipe auf die Kaimauer (eine der wenigen Bausünden La Gomeras) setzt und nicht nur die kleinen bunten Fischerboote beobachtet, sondern ins Wasser schaut, kann mit ein bisschen Glück, die gewaltigen Stachelrochen sehen, die im klaren Hafenbecken darauf warten, dass die Fischer den Beifang ins Wasser werfen.

Vor ca. 13 Jahren war ich schon einmal hier auf Gomera und im Valle Gran Rey. Ich stelle fest, wie wenig sich seitdem geändert hat. Garantiert ungewollt gemäß dem Tourismus Guide Motto „La Gomera, wo die Zeit still steht“, wirkt vieles in die Jahre gekommen. Hat man sich einmal umgewöhnt, findet man vor allem viel Charme vor.

Bedauerlich finde ich nur, dass alle ungehobelten Hafenspelunken (wie es sich eben für einen Hafen gehört) in Vueltas offensichtlich gesitteteren Bars und Restaurants weichen mussten.

 

 

La Gomera pfeift auf rücksichtsloses Whalewatching

Neben den bunten Fischerbooten liegen auch Segeljachten vor Anker und Tina, eine 24 Meter Jacht, mit der wir gleich den Walen und Delfinen „nachstellen“ werden. Nur mit der Kamera wohlgemerkt, denn nachhaltiges und rücksichtsvolles Whale Watching ist ein besonderes Anliegen der Mannschaft und des Teams von Excursiones Tina auf La Gomera, damit die Bootstouren nicht zur Belastung für die Meeressäugetiere werden.

An Bord ist immer ein ausgebildeter Whale-Watching-Guide, denn Erklärung und Aufklärung ist ein wichtiger Teil der Tour. Wer dem Ozean und seinen Bewohnern letztendlich auf rücksichtsvolle Weise nahekommen kann, wird sich vermutlich eher für deren Erhalt einsetzen, so die Philosophie. Für diese Einstellung gibt es auch die gelbe Flagge der Umweltbehörde der Kanarischen Inseln.

Eine Sichtungsgarantie hingegen gibt es nicht. Es scheint jedoch, als hätten die Tiere mit Capitano José Miguel ein Abkommen geschlossen oder er weiß einfach nur, wo er seine Schützlinge suchen muss. Es zeigen sich kontinuierlich Pilotwale und einheimische Delfinschulen sogar eine Meeresschildkröte ist dabei.

Die Kamera habe ich längst aus der Hand gelegt, viel schöner beobachtet es sich, ohne ständig durch den Sucher zu schielen, und generell war das bei dem hohen Seegang nicht die dümmste Idee. Wenn ich mich nämlich umschaue, blicke ich bereits vereinzelt in grüne Gesichter.

Allerhöchste Zeit zum Anlegen, den Magen mit einem frisch zubereiteten Barbecue-Lunch zu beruhigen und endlich in der ruhigen Cala Cantera Bucht mit Blick auf die verfallene Fischfabrik ins glasklare Wasser zu springen.

Belgische Aussteiger leben dort heute autark und zurückgezogen, erklärt man uns.

La Gomera pfeift auf Hippies

Generell scheint der Küstenstreifen des „Valle“ rund um die Playa de las Arenas (die aus nicht mehr rekonstruierbaren Gründen Schweinebucht genannt wird) das Dorado der Hippies und Freaks.

Von Vueltas aus am Ende des Schotterweges, mit nicht zu unterschätzender Steinschlaggefahr, befindet sich die naturbelassene Playa de Argaga und die in den 80ern von Sannyasins gegründete Finca Argayall (Platz des Lichts), auf der 20 Menschen mit dem Wunsch nach einer alternativen, experimentellen und erfahrungsorientierten Lebensgemeinschaft leben und arbeiten.

Dahinter liegt die schwerzugängliche „Schweinebucht“, in der Aussteiger in der Saison in Hütten und Höhlen leben, bis sie wieder mit aller Regelmäßigkeit von der Polizei geräumt werden. Die Einheimischen sind von der illustren Gästeschar in der Bucht offensichtlich nicht allzu erbaut.

Bereits Ende der 1960er-Jahre pilgerten die ersten Blumenkinder auf die bis dahin noch völlig unerschlossene Kanarische Insel. Seit Mitte der achtziger jedoch ist La Gomera ein Begriff, als vor allem Deutsche nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl hierhin flüchteten. Einige sind geblieben, andere dazugekommen und haben die Entwicklung vom Valle Gran Ray maßgeblich mitgestaltet. Mann/Frau spricht Deutsch. Deutsche Bäckerei, deutsche Metzgerei, deutsche Arztpraxis, deutscher Elektriker, deutsche Zeitung und eine Menge grün-braune Wandersandalen an den Füßen. Mir persönlich „deutschelt“ es dann doch etwas zu viel.

 

La Gomera pfiff auf die Eiszeit

Es ist zwar immer wieder auch das deutsche Wandervolk, das einem auf Pfaden mit Blick über den Atlantik begegnet, aber generell sind nicht viele Touristen unterwegs. Dafür kreuzen Ziegen und Schafe unseren Weg.

Auch Frau Merkel könnte man hier beim Wandern treffen. Die Bundeskanzlerin ist Stammgast auf La Gomera, munkelt man. Wenn das so ist, kann man es ihr nicht verdenken. Die schattigen Lorbeerwälder, durch die zahlreiche beeindruckende Wanderrouten führen, sind lebende Fossilien. Weil die Kanaren keine Eiszeit erlebten, konnten viele Pflanzen, die auf dem Festland ausgestorben sind, weiter bestehen.

Hier wandern wir im Nationalpark Garajonay im nebeligen Dunst durch den größten zusammenhängenden Feuchtwald der Welt. Zwischen meterlang von Ästen hängenden Flechten und knorrigen, bemoosten, bis zu 30 Meter hohen Bäumen oder vorbei an Felsformationen wie dem 1251 Meter hohen Roque de Agando, der oft und gerne in den Passatwolken zu versinken scheint. Oder entlang von Höhenstraßen mit Blick hinunter in sattgrüne Täler, Blumenwiesen und farbenprächtige Dörfer wie Agulo (das Bonbon La Gomeras), die den dunklen Basalt bunt sprenkeln.

Jetzt sind wir mal an der Reihe zu pfeifen. Auf deine Individualität und Schönheit, La Gomera!

Essen, Schlafen und Wandern auf der Zweitkleinsten

 Ankommen:

Vom Hafen Los Cristianos auf Teneriffa fahren täglich Fähren nach San Sebastián de la Gomera. Die Überfahrt dauert rund eine Stunde.

Essen und Schlafen:

Suites Los Telares – Zauberhafte Apartments mitten im Tal von Hermigua. Ein Ort für aktive Besucher.

Hotel Finca El Cabrito – eine Welt für sich. Dieses Hotel im Finca-Stil befindet sich direkt am Strand und ist nur vom Meer her zugänglich. Ein eigenes Boot fährt die Gäste in 10 Minuten nach San Sebastián. El Cabrito widmet sich dem ökologischen Anbau und bietet ein abwechslungsreiches Buffet mit frischen Produkten, überwiegend aus dem eigenen Garten und Käse, hergestellt aus der Milch von Ziegen aus eigener Haltung.

Pension Candeleria – Hier wohnt man familiär und günstig bei Carol, einer Frau, der Nachhaltigkeit und La Gomera sehr am Herzen liegen.

Wandern:

Lorbeer-Wanderung

Die mittelschwere Wanderung führt durch La Gomeras berühmten Lorbeerwald. Meterhohe Farne, bemooste Bäume sowie spektakuläre Aussichten auf rund 12 Kilometern.

Ausgangspunkt: Parkplatz El Cantadero

Höhendifferenz: 450 Meter

Strecke: ca. 12 km

Dauer: 4h

Große Valle Gran Rey Runde – Königsroute

Diese Tour hat mich bei meinem ersten Besuch auf der Insel total begeistert, ist aber nur was für Konditionsbolzen und Trittsichere. Wer früh aufbricht, erlebt binnen eines Tages einen Großteil der Wanderhöhenpunkte, die das Tal des großen Königs zu bieten hat.

Ausgangspunkt: La Calera

Höhendifferenz: 1250 Meter hoch und wieder runter

Strecke: ca. 22,5 km

Dauer: 7,5 bis 8 h

Von Chipude auf den Garajonay

Ein gemütlicher Höhenbummel mit prächtigen Ausblicken und Anstieg auf den höchsten Punkt (1487)der Insel. Diese Wanderung auf den Garajonay ist ruhiger und stimmungsvoller als die Anstiege aus Laguna Grande, Contadero oder Pajarito.

Ausgangspunkt: Kirchplatz Chipude

Höhendifferenz: 450 Meter

Strecke. 12,3 km

Dauer: 4-4,5 h

Weitere Infos:

Gomera Experience, mit einer Auflistung von Betrieben für nachhaltigen Tourismus auf La Gomera.

Auch auf der Website von ATUSOS gibt es eine Liste mit unterstützenswerten Unternehmen, lokalen Guides, Exkursionen, Hotels und Restaurants, die sich nachhaltigen Grundsätzen verschrieben haben.

La Gomera, die Kanreninsel setzt auf Nachhaltigkeit

Offenlegung: Dieser Artikel ist im Rahmen einer unbezahlten Pressereise zum Thema Eco Tourism mit dem spanischen Fremdenverkehrsamt, Ecotourism in Spain und ATUSOS entstanden.

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