Marokko: Ein Roadtrip mit Kind oder wie ich Bart Simpson traf.
Mein Weltbild wurde brüsk zerstört. Die Tochter zieht ihn an der Hand hinter sich her und raunt mir zu. „Mama DU MUSST Bart Simpson kennenlernen“.
Er kennt das Spiel, tritt mir wissend lächelnd gegenüber, reicht artig die Hand. Ich hingegen schaue perplex drein. Bart ist eine Sie(!) – ein charismatisches Persönchen, zieht gerne ein paar Zigaretten durch – hat mir glaubhaft versichert, daher stammt die Stimme nicht – und ist Mutter zweier bezaubernder Räuberkinder. Genau jene haben sich am Pool des Fellah Hotels mit unserem Wildfang verbündet, waren ab sofort unzertrennlich und nicht mehr gesehen. Es sei denn, sie kamen ausgehungert und verwundet von ihren Beutezeugen gegen zahlenmäßig überlegene britische Urlauberkinder zurück.
Auch wir hatten einen Draht, haben den Tag verquatscht und Münchner Gemeinsamkeiten ausgetauscht.
Bart habe ich an diesem Nachmittag vergessen und doch ist er unwiederbringlich entmystifiziert. Immerhin aber denke ich immer dienstags um 20.15 Uhr, wenn die Titelmelodie zum Familienpflichttermin erklingt an eine ganz wunderbare Reise und reizende Menschen zurück.
Soviel zum Spoiler. Wer sich für einen Marokko Roadtrip mit Kind im Schlepptau interessiert, darf hier einsteigen, eingefleischte Simpsons Fans getrost aussteigen. Mehr kommt diesbezüglich nicht mehr.
Und die Neugierigen unter Euch dürfen die Suchmaschine bemühen, wer sich hinter dem gelben Stachelkopf verbirgt.
Marokko mit Kindern
In der Bibel der Individualreisenden, dem Lonely Planet steht es geschrieben, Marokko ist das perfekte Reiseziel für die Generation „Post-Backpacker Parents“. Menschen wie wir also, die einst im Rucksack um die Welt tingelten, auf der Suche nach Abenteuern und uns selbst.
Jetzt als Eltern legen wir immer noch Wert auf individuelles Reisen, authentische Erlebnisse mit Land und Kultur und eine kleine Portion Abenteuer, aber in Samtpuschen, bitteschön! Ein Pauschalurlaub kommt auch mit Nachwuchs einer Strafe gleich.
Perfekt! Zielgruppe zu 100% erreicht und schon war der Flug nach magic Marrakesch gebucht. Dort ergeben wir uns vier Tage dem orientalischen Traum aus Tausend und einer Nacht, bevor wir im Mietwagen die Küste und den Mittleren Atlas ansteuern.
Vor 25 Jahren, fast selbst noch ein Kind, habe ich das Land zum ersten Mal bereist und war damals schon dem Zauber erlegen. Jetzt darf ich in die glänzenden Augen des Töchterleins blicken, wenn der Schlangenbeschwörer seine Flöte auspackt und der Souk wie ein Märchenland anmutet.
Marokko beflügelt die Fantasie eines jeden Kindes und fasziniert mit einer Flut an Sinneseindrücken. Die Marokkaner lieben Kinder und Türen öffnen sich ganz von alleine. Die Türkei war für unsere Tochter das „Kinderwunderland“ doch Marokko das Paradies.
Die Geschenke großzügiger Marokkaner türmen sich im Kinderzimmer, und wenn ich versehentlich die falsche Schublade öffne, schwallt mir penetranter Amberduft (äh Gestank) ins Gesicht.
Das Land eignet sich hervorragend, um es mit Kindern im Schlepptau zu erkunden. Marokko ist verhältnismäßig schnell zu erreichen und Jetlag bleibt aus, dafür bietet es eine gehörige Portion an Exotik.
Zu beachten gibt es nicht viel. Die Standardimpfungen reichen für Marokko aus. Malaria oder ähnlich garstige Tropenkrankheiten gibt es nicht.
Der Hygienestandard im Mittelpreis Segment ist gut und das Land ist kostengünstig auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder privaten Fahrern gut und günstig zu bereisen.
Roadtrip, Baby
Wir haben uns für die Selbstfahrermethode entschieden und sind hervorragend damit gefahren. Die Autoanmietung funktioniert reibungslos. Wir erhalten einen nagelneuen Wagen und selbst der Kindersitz ist in einem besseren Zustand, als ich es von so manchem europäischen Reiseziel gewohnt bin.
Marokkos Straßen sind ganz passabel ausgebaut, man sollte sich nur tunlichst an die Tempovorgaben halten, denn Kontrollen sind allgegenwärtig. Wenn man doch einmal auf die polizeiliche Willkür (uns nie passiert) trifft, einfach dumm stellen. Das empfiehlt auch Andreas von Travelisto und hält noch eine Menge praktischer Tipps zu Marokko mit Kindern parat.
Sesam öffne Dich
Tür und Tor stehen uns in Marokko offen. Mit Kind öffnen sie sich ganz ohne Zauberschwur.
Es gibt so viel zu entdecken: Tausende Farben, Gerüche, reizende Strände, Kamelreiten, Planschen in Bächen, Eselstreicheln, Zeltlager unter funkelnden Sternen, die Weiten der Wüste …. Unsere knapp zwei Wochen reichen bei Weitem nicht.
Wir haben aber keine Eile, der Vorteil, wenn man in ein Land reist, das man schon kennt. Unsere Route führt uns in einem kleinen Zirkel von Marrakesch nach Essaouira und Sidi Kaouki und zurück nach Marrakesch über den Mittleren Atlas. Die meiste Zeit verbringen wir an der Küste und in „magic Marrakesch“, wo ich dem Shoppingwahn und dem süße Bohème-Gefühl verfalle.
Wir nutzen unsere Basis aber auch immer für Ausflüge ins Atlasgebirge und suchen unter befremdlichen Blicken der Einheimischen Ostereier im Sand. Lernen wie Arganöl mühevoll hergestellt wird, was die Ziege auf dem Baum sucht und Mutter und Tochter schwingen sich auch aufs Kamel.
Im Oman hatte ich mir noch geschworen, das tunlichst künftig zu unterlassen. Nach der ersten halben Stunde des behäbigen Ritts am Strand entlang war mir auch wieder schlagartig wieder klar warum. Weiß zufällig jemand, ob sich ein Kamel im Damensitz angenehmer reitet?
Farbenfrohes Essaouira, blühendes Ourika Tal
Dem Charme Essaouiras ist bisher noch jeder erlegen. Der ideale Ort für Erholung und Entspannung am Strand nach marokkanischer Art – Flanieren oder einen Drachen steigen lassen.
Essaouira gilt als windigste Stadt Afrikas, nur in den engen Gassen der Altstadt ist man vor der frischen Brise sicher. Baden liegt hier nicht unbedingt im Trend und das tiefenentspannte Surfervolk zieht es nach Sidi Kaouki. Ganz klar, dass wir uns dort pudelwohl fühlen.
Genau wie unter den Einheimischen im Ourika Tal. Welch ein Spektakel, die Wasserfälle von Setti Fattma am Osterwochenende zu besuchen. Das fruchtbare Tal in den nördlichen Ausläufern des Atlasgebirges scheint DER Anlaufpunkt stadtmüder Marokkaner zu sein. Es wird geschlemmt und debattiert, was das Zeug hält in den unzähligen Restaurants am Fluss oder auf der Wiese unter blühenden Mandelbäumen. Wir genießen es, in dieses authentische marokkanische Getümmel einzutauchen und trinken freudig Tee mit unseren Gastgebern.
Darum wiegt die Enttäuschung über den angepriesenen Wasserfall nicht so schwer. Stellt Euch auf vermüllte Wege und nervende Möchtegern-Guides ein. Den Wasserfall findet ihr ganz von allein.
Wie so oft gesehen und immer wieder enttäuscht, dass die Schönheit der Natur so wenig Wertschätzung erfährt und der mitgebrachte Müll hemmungslos in der Natur zurückgelassen wird.
Eine unschöne Seite, doch auch das ist die Welt mit ihren Ecken und Kanten, die auch unsere Kinder wahrnehmen sollen.
Zurück bleibt jedoch ein staunendes Kind, mit einem Koffer voller Souvenirs und einer neuen Dimension an Sinneseindrücken.
Töchterchens Hidden Gems:
- Ach ist das schön grün hier. Im Le Jardin in Marrakesch mit Schildkröten speisen.
- Essaouiras Katzen pflegen während Mama und Papa im lässigen The Loft/Megaloft speisen. Auch toll: Restaurant Elizir.
- Natürlich der Kamelritt am Strand in Sidi Kaouiki (günstiger als in Essaouira)
- Im kunterbunten Fellah Hotel und Künstlerkooperative mit den Gärtner ernten, die Esel versorgen und dem Zirkusdirektor-Portier scherzen
- Im Henna Café kunstvoll verziert zu werden. (Das Café ist eine Kooperative und verwendet zudem reine, unschädliche Henna Farbe. Seid vorsichtig auf dem Markt, dort wird oft Farbe verwendet die hautschädigen sein kann, da PPD ein Haarfärbemittel beigemischt wird, außerdem sind Bilder wenig künstlerisch und oft nur „hingerotzt“).
Muttis Hidden Gems:
- Vegane Leckerein und Marrakesch ersten und schönsten Concept-Store mit angeschlossenen Café Kaowa gibt es gegenüber dem Jardin Majorelle (33 Rue Majorell )
- Im Nomads unter dem Sternenhimmel dinieren und sich nicht über die europäischen Preise ärgern, weil es einfach zu schön ist.
- In Essaouira in der Villa Maroc schlafen und Marrakeschs schönste Riads auskundschaften. Wer die Wahl hat, hat die Qual. Tipp: Riad El Fenn oder Riad 72
- Unvergessliche Aussichten, bäuerliches Leben und Gastfreundschaft auf den spektakulären Tizi N´Test Bergpass
- In Sidi Kaouiki alle fünfe grade sein lassen und im Al-Vent Veggie-Food genießen.
Weitere Links:
Sabine von Gecko Footsteps geht ins Detail und erzählt ihre Erfahrungen in Marrakesch mit Kind und gibt Tipps zu Verhaltensweisen.
Die liebe Nadine guided euch mit einer ganzen Ratschlagfülle durch Marrakesch und Essaouira.
Und Nancy zeigt einfach die bezauberndsten Bilder.
Bilder: ©HIDDEN GEM
Hach, eine schöne Erinnerung an Marokko! Wir haben ja letztes Jahr eine recht ähnliche Reise unternommen und bis auf Bart Simpson ähnliche Erfahrungen gemacht. Ein wirklich tolles Land… Viele Grüße!
Liebe Eva,
hach, so ein schöner Artikel und so viele farbenfrohe Fotos. Da fühlt man sich gleich zurückkatapultiert. Besonders gefreut habe ich mich auch über die Verlinkung 🙂
Tschööö & einen guten Start in die neue Woche,
Sabine
Aber gerne doch 😉
Ich habe in letzter Zeit so viele Berichte über Marokko gelesen, da setzt bei mir fast automatisch das Fernweh ein, wenn ich deinen jetzt lese. Ein wirklich toller Artikel und schöne Fotos!
Herzlich,
Anna
Nichts wie hin mit Dir! Marokko kann gar nicht enttäuschen.
Dein Post, Deine Fotos -ein Festival der Sinne. Jetzt habt Ihr Marokko-Fans mich endgültig gekriegt. Ich will auch …
Liebe Grüße, Ines
PS: Wie lange wart Ihr dort?
Machen! Wir waren diese Mal knapp zwei Wochen. Ein paar Highlights kannst du damit ganz gut abklappern. In jungen Jahren war ich ca. 4 Wochen und das war ideal um viel vom Land zu sehen und noch zu relaxen.
Pingback: Verlauf dich in 1001 Gasse. Kurztripp nach Marrakesch.
Ein super interessanter und lebendiger Artikel. Weiter so! Mir gefallen auch die Fotos. Sie fangen das Leben in Marokko, wie ich finde, sehr gut ein.
Liebe Grüße,
Kuno
Pingback: Beste Reisen als Kind (2): Marokko - Family Escapes
Hey Eva 🙂
Ein toller Bericht und wirklich wunderschöne Fotos von Marokko!
Ich kann deine Begeisterung total verstehen, das Land ist einfach unglaublich spannend und es gibt so viel zu entdecken.
Den Ritt auf dem Dromedar fand ich eigentlich ganz angenehm – allerdings war ich glaube ich auch immer die Einzige, die das so gesehen hat und nach knapp 2 Stunden taten mir dann doch auch allmählich ziemlich die Arschbacken weh 😀
Schöne Grüße,
Caro