Zwischen Melancholie und Staunen: Texel im Spätsommer.
Wo die Sandberge ins Wasser fallen, singt die Feldlerche. Dünen und Heide, Watt und Wasser gehen ineinander über. Vom Deich reicht der Blick über Priele und Salzwiesen, zur wilden Nordsee am Horizont.
Die Melodie des Meeres im Ohr geht es auf Trampelpfaden in eine wundersame Welt. Einsam und schaurig-schön.
Wenn Strandflieder und Strandaster in den Sommermonaten blühen, färben sie „De Slufter“ rosa und lila. Im Herbst überzieht Queller das Gebiet mit einer roten Glut. Jetzt, Mitte September sind wir irgendwo dazwischen. Ein undefinierbares Violett-Braun.
De Slufter, das bekannteste Naturgebiet auf Texel
De Slufter ist das einzige Gebiet in den Niederlanden, in das das Meer ungehindert einströmen kann. Bei Flut füllen sich die Priele mit Salzwasser und De Slufter läuft voll. Hier wachsen nur Pflanzen, wie die genannten Verdächtigen, die sich an das Salzwasser angepasst haben.
Auf einer Nachtwanderung mit Marcel stapften wir zwischen Watt und Sanddüne. Konnten zum Leid der Tochter keine Wühlmäuse fangen und wieder in die Natur entlassen und keine Fledermäuse mit dem Detektor aufspüren. Dafür in jener Vollmondnacht erleben, wie hell die Sterne trotz Mondschein über Texel funkeln, den puderfeinen Dünensand unter bloßen Füßen fühlen, seltene Nachtfalter fotografieren und katalogisieren und doch nur erahnen, in welches Naturspektakel uns Marcel entführt hat.
Bei Tage sind wir heute nochmals zurückgekehrt. Dorthin wo der Mensch im Deichbau glücklicherweise versagt hat und die Natur wieder ihre eigenen Regeln macht. Ich bin hingerissen. Es lohnt sich, in dieser ungebändigten Welt genauer hinzuschauen. Bunt-schillernde Libellen stehen über dem Wasser, Schmetterlinge tanzen durch das flirrende Licht. Es riecht nach dem nahen Meer, nach Sandstaub und nach wildem Thymian hier im Slufter auf Texel, dem bekannteste Naturgebiet der Insel zwischen der Muy und den Eierlandse Dünen.
Texel, Geheimtipp des Lonely Planets
Texel? Ja. Texel (sprich Tessl), ist eine niederländische Nordseeinsel, die höchstwahrscheinlich den meisten Erdenbürger unterhalb des Weißwurst-Äquators nichts sagt. Keine Bange, ich wusste auch nicht Bescheid. Texel wurde viel zu lange von den Ruhrgebietlern geheim gehalten. Sie haben die Insel in der Hochsaison nämlich fest in der Hand. Aber auch der Lonely Planet hat Lunte gerochen und das Eiland 2016 zu einem der schönsten Reiseziele innerhalb Europas gekürt.
Texel wird wegen seiner herrlich weitläufigen Sandstrände gerühmt, der hervorragenden Fährverbindung zum Festland und den einzigartigen Naturschutzgebieten. Positiv erwähnenswert wären da noch die speziellen Übernachtungsmöglichkeiten und die hochwertige Gastronomie, die großen Wert auf lokale Spezialitäten legt.
Es wurde also für mich nach nunmehr zwei Jahren in den Niederlanden höchste Zeit, die Insel einmal näher zu betrachten.
Da Texel mit 13700 Einwohnern und ebenso vielen Schafen auf einer Fläche von fast 170 Quadratkilometern sicher nicht überbevölkert ist, findet noch jeder sein Plätzchen auf dem insgesamt 30 km langen und ewig breitem Sandstrand der Westseite.
Ornithologen – das sind diese geduldigen Menschen mit Fernglas, Gummistiefel und dicken Fotokameras – haben das Kleinod längst entdeckt. Sie schwärmen aus ganz Europa aus, um seltene Vögel zu beobachten. Und damit sind keine Einheimischen gemeint. Texel ist in der Tat für seine Vogelvielfalt bekannt.
Das Wahrzeichen der Insel ist der rote Leuchtturm an der Nordspitze, umgeben von einer kleinen Siedlung mit schnuckeligen Häusern. Der Strand davor ist fast einen Kilometer breit und ein Paradies für Strandsegler. Übrigens kann man den Leuchtturm auch erklimmen und sogar zwischen den Mauern des alten und neuen Turms spazieren. Der wundervolle Weitblick belohnt für den Aufstieg.
Wandern durch Texels Dünen
Und wer auf Texel in die Dünen geht (bitte nur wo erlaubt), wird staunen: Am Himmel steht ein Turmfalke und darunter breitet sich eine wilde Welt aus. Setzt man sich und hält inne, umgibt einen unmittelbar eine willkommene Stille. Selbst der beständig wehende Wind kommt in den Dünentälern zur Ruhe. Zu hören sind ein verhaltenes Zirpen und Brummen sowie die, manchmal süßen, manchmal seltsamen, Laute ferner Vögel. Gerät man an eine Stelle, an der der Wind den Sand über den Dünenkamm treibt, kann man – stürmische Böen an einem solchen Tag vorausgesetzt – ein leises Prasseln und Knistern hören.
Eine Welt voller Gegensätze. Man spürt die Kühle des nahen Meeres an den Dünenhängen und steht in der staubigen Trockenheit eines sonnigen Spätsommernachmittags.
Man fühlt einen Anflug Wehmut und Weltverlorenheit, wenn die ersten spukhaften Schatten ihre Spuren im Sand zeichnen und der Sommer sein baldiges Ende verkündet. Dann ziehen wieder Wolken auf und der Wind nimmt diese Notiz mit fort auf seinem unendlichen Weg. Ein paar Sandkörner wehen vorüber. Bis irgendwann alles wieder ins Wasser fällt.
Urlaub auf Texel – konkrete Tipps zum Nachmachen
Auch wenn der Sommer nun vorbei ist, Trübsal muss auf Texel keiner blasen. Die Insel ist zu jeder Jahreszeit toll.
Das raue Nordseewetter draußen lädt sogar nicht zu einem Spaziergang ein und drinnen auf dem Sofa ist es einfach so gemütlich? Selbst Regentage auf Texel haben etwas ganz Besonderes an sich: Man kann den Regen auf der Zunge spüren, durch Pfützen springen, matschige Wege entlanglaufen oder einfach nur leise horchen, wie das Nass auf die Blätter prasselt und kleine Löcher im feinen Sand hinterlässt. Und das Beste: Die Heimkehr ins gemütliche Ferienhaus ist gleich umso schöner.
Wohnen auf Texel
Mein Tipp: Just Texel. Brandneu, stylish und doch so gemütlich. Außerdem perfekt für einen Shoppingbummel in Den Burg. Das Frühstück wird im gemütlichen Smulpot serviert. Dort gibt es auch den vermutlich leckersten selbst gemachten Cheese Cake Texels.
Texel mit Kindern
Pferde, Schafe, Kühe, Seehunde und feinster Strand zum Buddeln. Was brauchen Kinder noch mehr? Selbst Teenies lockt man hier mühelos hinter dem Smartphone hervor.
Wir sind mit dem Fatbike (mieten und Touren über Kooiman) den Strand entlang gepest.
Und ich habe mich vom Tochterkind überreden lassen, mich auf ein E-Skateboard zu stellen. Elegant geht anders, aber furchtlos bin ich über Stock und Stein den Youngsters hinterher. (Verleih über Teambuilding Texel).
Süße Beeren naschen Groß und Klein gerne. Von Mai bis November kann man im Zelfpluktuin nahe Ouedeschild nach Herzenslust von den Sträuchern abpflücken, was der Garten gerade hergibt.
Von Oudeschild gehen auch die Kuttertouren zu den Seehundbänken ab. Mein Favorit ist jedoch die Seehundfahrt mit „De Vriendschap“. Am pittoresken Anleger beim Strandpavillon Kaap Noord zwischen Leuchtturm und De Cocksdorp geht raus zu den possierlichen Tierchen ins nördliche Wattenmeer, dem Eierlandsen Gat. In diesem ruhigen Gebiet sieht man zahlreiche Seehunde (angeblich die meisten) und Kegelrobben, die sich auf den Sandbänken sonnen. „De Vriendschap“ ist das einzige Schiff in diesem Gebiet. Der Kapitän lässt das Schiff ohne Motor mit der Strömung an den Sandbänken vorbeitreiben. Robben und Schiff sind alte Bekannte, daher erlauben die Tiere auch, dass „De Vriendschap“ relativ nahe herankommt.
Texels Ortschaften
Natur und Elemente haben auf dem wunderschönen Eiland Texel, das von Watten- und Nordsee eingefasst ist, immer noch die Überhand. Auch haben sich neben dem touristischen Badeort De Koog (ehrlicherweise nicht so mein Ding) und dem geschäftigen Einkaufsdorf Den Burg die übrigen Dörfer noch ihre Stille und Lieblichkeit erhalten.
- Oudeschild
Ein richtig nettes Örtchen ist Oudeschild mit einem kleinen Hafen. Als Vegetarier werde ich es nie erfahren, aber dort gibt es angeblich den besten Kibbeling im Fischmarkt und den Pommesbuden-Klassiker Veronica. Sowieso ist der Hafen ein Muss bei untergehender Sonne. Die Szenerie ist bezaubernd. Wenn man dann noch etwas Zeit mitbringt und ausnehmend gut essen will, kehrt man direkt im ´t Pakhuus ein. Eigentlich ein gehobenes Fischrestaurant, aber auch mit uns Vegetariern weiß man umzugehen. Ehrlich, ich habe lange nicht mehr so gut und kreativ gegessen.
- De Cocksdorp
In De Cocksdorp gibt es eine süße kleine Einkaufsstraße und die malerische Zufahrt durch eine Allee.
- Den Burg
Den Burg ist die Inselhauptstadt und zentral gelegener Ausgangspunkt. Hier lässt es sich wunderbar bummeln. Montags ist Markttag. Ein Muss ist der Besuch bei Kees de Wal im Zentrum. Ein Interieur- und Schnickschnackparadies. Tierknuddler allerdings aufgepasst: Hier herrschen zwei Katzen, mit denen nicht zu spaßen ist.
In der Gravenstraat ist das kulinarische Herz mit den ganz hervorragenden Restaurants: Lokaal 16, Bodega Freya, Eilandkeuken und das indonesische Restaurant LvY, mein Geheimtipp.
Lecker Lunch und Borrel serviert auch die Brasserie De Coninck van Poolen.
- Den Hoorn
Den Hoorn ist ein sehr kleines, künstlerisch angehauchtes Städtchen mit einer schiefen Kapelle als Wahrzeichen und einigen besonderen Restaurants. Auf Sterne Niveau wie z.B. Bij Jef, die Wiskeybar und Restaurant Het Kompas oder das Klif 23, wo sich alles um Pfannkuchen dreht.
- Oosterend
Ein schnuckeliges Städtchen im Osten der Insel ist Oosterend. Manch einer (auch ich) sagt, das Hübscheste. Den kleinen Ortskern zu umwandern ist ein Vergnügen und sitzt man in der einzigen Kneipe gegenüber der Kirche „Het Cafeetje“ draußen, muss man bei vorbeifahrenden Autos die Füße einziehen. Hier schmeckt der Apfelkuchen himmlisch und im Hinterhof befindet sich ein kleiner Biergarten.
Texels Strände und Paal Restaurants
Die Strände auf Texel sind nach Strandabschnitten eingeteilt, die als „Paal“ bezeichnet werden.
An vielen befinden sich Strandpavillons. Einige sind das ganze Jahr über geöffnet, wie die bei den Strandabschnitten 9, 17, 21, 28 und 33.
Will man an den Strand, muss man sich grundsätzlich nur entscheiden, ob man Ruhe oder Action sucht. Die Regel dafür ist simpel: Je länger die Dünen zu durchqueren sind, desto ruhiger und einsamer ist der Strandabschnitt.
Ganz im Süden bei De Hors, sind die Strände recht verlassen.
Anders bei De Koog, dem einzigen Badeort von Texel. Hier grenzt das Dorf an den Strand und demnach mehr Trubel herrscht vor. Ebenso bei Paal 17 (hinter dem empfehlenswerten Ecomare Museum). Dort liegt allerdings das fantastische Strandrestaurant Paal 17 mit hervorragendem Essen und toller Atmosphäre.
Im Kap Noord (Paal 33) geht es etwas lockerer und Surfer-like zu. Manchmal etwas laut, wie alle Paals proppenvoll, aber immer wieder cool.
Mir hat es vor allem der Gastro Paviljoen XV angetan. Ich kenne diese Art Beachclubs zu genüge aus Den Haag, aber selten sitzt man so schön am Wasser und speist gleichzeitig so lecker.
Wandern auf Texel
Ja, Wandern kann man auf Texel ausgiebig – wenn es sein muss auch 60 km um die ganze Insel. Dabei ist nur ein kleines Hindernis zu überwinden: der berüchtigte De Slufter. Ihr habt an anderer Stelle davon gehört. Bei Flut hat er seine Tücken, nämlich eine starke Strömung.
Ansonsten gibt die Website des VVV viele Anregungen und Routenvorschläge.
Als Bayer habe ich mich vom Namen „De Hoge Berg“ blenden lassen. Es ist der älteste Teil von Texel und 2019 zur Kulturlandschaft ernannt worden. Kennzeichnend für dieses Gebiet sind die Gartenmauern, viele, sehr viele (!) Schafe und die leichte Hangneigung, ein „gnadenloser“ Anstieg von 15 Meter ü. d. M. Schön war’s trotzdem und vor allem die halben Häuser finde ich sehenswert.
Texel – Praktische Tipps
Zum Ende noch ein praktischer Hinweis: Wer mit dem Auto unterwegs ist, unbedingt Parkautomaten bedienen! Die Hostessen kassieren sofort und das ist wie überall in den Niederlanden gesalzen.
Oder ihr registriert euch gleich online für die Texelvignette . Sie kostet 20€ für 8 Tage und ist ein Schnapper im Vergleich zum Tagesticket.
Ihr erreicht Texel von Den Helder im halbstündlichen Rhythmus. Die Überfahrt dauert lediglich 20 Minuten und das Ticket beinhaltet auch die Rückfahrt (stündlich). Das Ticket muss auf der Rückfahrt nicht mehr kontrolliert werden.
Viele Anregungen und Inspiration zu Texel und den anderen Inseln findet sich auch auf den Informationsseite von Merk Fryslân.
Disclaimer: Bei dieser individuellen Recherchereise bin ich von Merk Fryslan unterstützt worden. Vielen Dank dafür. Meine Meinung ist davon an keiner Stelle beeinflusst worden.
Texel sieht ja wirklich wunderschön aus! Wir sind alte Zeeland-Fans, aber diese Insel sollten wir dringend mal erkunden. Auch die Unterkunft ist ein Traum!
Viele Grüße von Sanne
Zeeland kenne ich wiederum noch nicht. Tauschen wir einfach mal 😉
Ich muss sagen, der Artikel auf hiddengem.de hat mich wirklich gepackt. Die Beschreibungen von Texel im Spätsommer waren so lebendig, dass ich das Salz in der Luft schmecken und den Sand unter meinen Füßen spüren konnte. Es hat mich dazu inspiriert, meine eigenen Abenteuer zu suchen. Kann es kaum erwarten, Texel selbst zu besuchen. Ein wirklich toller Artikel!