Von Schotten und Bayern
Zwei auffällige Ereignisse tragen sich im ansonsten routinierten Reiseverlauf zu, als ich zum ersten Mal meinen Fuß in Inverness auf schottischen Boden setzte: Erstens mein Koffer bleibt unauffindbar – das kommt weltweit vor und ist als nicht landestypisch zu werten – zweitens, keine zehn Minuten vergehen, bis ich dem ersten Schotten im klassischen Kilt begegne. Tradition hin, Tradition her. Das passiert außerhalb Edinburghs Touristenmeile nicht alle Tage. Schottland unterscheidet sich diesbezüglich nicht von Bayern. Dort, respektive hier, läuft auch nicht ein jeder – Festivitäten und Touristen mit eigentümlichen Anpassungswünschen während der Herbstmonate ausgenommen – schuhplattelnd in der Krachledernen auf.
Unverzüglich frage ich mich, ob es kulturelle Analogien im Traditionsgewand gibt. Neben den regionalen Unterschieden in Optik und Verarbeitung erzählt jeder Fleck der Hirschledernen eine Geschichte, so sagt der Bayer. Und Lederhosengeschichten stecken meist voll von heiteren Festzeltbegebenheiten, Romantik und Bierseligkeit.
Jeder Kilt so sagt man, wiederum ausgenommen die verhunzte Billigvariante, erzählt anhand seines Musters von Familie, Clans, Regionen und wer weiß das schon, vielleicht von Ale und Whiskey.
Überhaupt scheinen wir Bayern und Schotten einiges gemeinsam zu haben. Brüder im Geiste und Benehmen. An der Supermarktkasse, ich decke mich mit dem Nötigsten ein, um meine Mitreisenden nicht mit unangenehmen Ausdünstungen aufgrund des, den Umständen zuzuschreibenden, verhinderten Wäschewechsels zu belästigen, grummelt der Kassierer mir Folgendes entgegen: „Weel, yupty today, lass´?“ Ich:“Ähh?! Er:“Yupty today? Ich:“Yäääs??“ Falsche Antwort. Er zuckt die Schultern, nimmt mein Geld und schweigt.
Ich sehe, wir verstehen uns nicht. Geht uns Bayern ja oft nicht anders. Bis heute gilt Schotte wie Bayer als ruppiger Hinterwäldler mit seltsamen Ausprägungen der Landessprache.
Parallelen wo keine sind
Wald, viel Wald, sanfte grüne Hügel und tiefgründige Seen erwarten uns, als wir die Stadt verlassen. Trügerisch. Fast wie im Voralpenland, wäre hier nicht Wasser tiefschwarz und geheimnisvoll und dieses trübe Grau am Firmament statt weißer Schäfchenwolken mit Blau durchsetzt.
Schafe sprenkeln die saftigen Wiesen. Kühe, wohin man schaut aber kein Bayerisches Fleckvieh, sondern fluffiges gehörntes Pelzvieh, zottelige Biester. Die robusten „Highland Cows“ gelten als anspruchslose Landschaftspfleger, denen auch schottisches Schietwetter nicht viel anhaben kann. Die generische bayerische Kuh zieht diesbezüglich eindeutig den Kürzeren und mir schwant, ich suche verbissen nach Parallelen, wo doch keine sind. Kann ein rustikales schottisches Pub durchaus noch mit einem urigen bayerischen Wirtshaus gleichziehen und sowohl der Anblick der Alpen, als auch der des schottischen Hochlands, eine Landschaft aus Moor, Moos, violettem Heidekraut, Nebel und kargem Bergland in Ehrfurcht versetzen, fehlt es Bayern rundherum an Dramatik und Mystik.
Monster, Mythen & Loch Ness
Und dann ist da sogar noch die Angelegenheit mit dem Monster. Ob man nun an das Ungeheuer von Loch Ness glaubt oder nicht, die malerische Heimat des schottischen Maskottchens ist unvergleichlich. Ein bitterkalter, glasklarer und doch schwarz und düster anmutender See, dessen Tönung von „peat“ (Torf) herrührt, wie uns Dan, der Rotschopf Highlander vermittelt.
Nessie taucht in dem 40 km langen und 230 m tiefen Gewässer nur selten auf. Mit ausgefeilten Unterwassertechnologien wird die Suche trotzdem fortgesetzt.
Steve Feltham, der Nessiejäger, lauert dem Ungeheuer seit rekordverbrieften 25 Jahren vom Ufer aus auf. Ist es nur ein weiteres Klischee und haben wir es hier tatsächlich mit schottischer Sturheit zu tun oder dürfen wir es als hochgradig ausdauernd verbriefen?
Ich gehe der Sache mit dem Monster nicht weiter auf den Grund, widme mich vielmehr dem Anblick des wildromantischen See, seinen eiszeitlichen Gletscherverwerfungen und der verfallenen Ruinen des Urquhart Castle auf seinem eigenen, in den See ragenden, Kliff und einer blutigen Geschichte. Über Jahrhunderte wurde die Burg gebrandschatzt und wieder aufgebaut (und gebrandschatzt und wieder aufgebaut) und letztendlich gesprengt. Was vom Castle übrig ist, thront malerisch am Seeufer. Jetzt fehlte nur noch das ein oder andere Wikingerschiff am Anleger und wir würden uns fragen, ob ein Zeitsprung zurück ins finstere Mittelalter möglich geworden ist.
Spuk und Drama – Schottland und seine Schlösser
König Ludwig, unser Märchenkönig hat im Größenwahn hinreißende Schlösser gebaut, doch was auch immer man sich unter einer Burg vorstellt, findet man in Schottland. Hohe, spitze Türme, dicke Steinmauern, dramatische Kulissen, geheimnisvollen Ruinen, die einem das Gruseln lernen.
Cawador Castle mag in Sachen Spuk eine Ausnahme darstellen. Dem Paradebeispiel eines schottischen Schlosses kommt es ansonsten sehr nahe. Als stolze Trutzburg erhebt es sich nahe Inverness, umgeben von verwunschenen Gärten und einem geheimnisvollen Labyrinth. Schwer lastet allerdings der Fluch von Shakespeares Macbeth auf dem Gebäude. Ständig wird Cawdor Castle zum Leidwesen des Earls von Cawdor und seiner Familie mit dem Stück in Verbindung gebracht. Tatsächlich gibt es keine vernünftige Verknüpfung zwischen der Burg und König Macbeth. Nicht einmal ein Teil des Stückes von Shakespeare spielt dort.
Wie es sich für ein tadelloses schottisches Schloss gehört, spukt es in dessen Gemäuern. Auch alte Häuser werden vornehmlich von Geistern, Schreckbildern und Spuk heimgesucht. Das könnte vermutlich erklären, warum ich nachts im Hotel augenblicklich senkrecht im Bett sitze, als es an meinem Türknauf rüttelt und das Außenlicht flackert.
Einem bayerischen Sturschädel kann man jedoch ruhig von einem Spuk erzählen. Er würde nicht mit der Wimper zucken, wenn ein Geist ihm ins Gesicht grinst.
Da haben wir ihn dann eindeutig, den Unterschied zum Schotten und die Angelegenheit hoffentlich hinreichend geklärt.
Offenlegung: All diese Eindrücke und Gedanken hat mit Visit Britan beschert. Vielen Dank für die Einladung zu diesem wunderbaren Trip. Leider haben sich die Highland Cows weniger fotogen präsentiert, deshalb habe ich mich an diese stelle eines Stockbildes bedient. Danke @Pixabay.
Bilder: ©HIDDEN GEM, Highlandcow und Inverness @Pixabay
Einen kurzen Abstecher nach Schottland habe ich schon einmal gemacht. Aber – wie sich immer wieder herausstellt – war dieser Abstecher viel zu kurz. Die Stories und Bilder aus Schottland hier im Beitrag machen Lust auf mehr. Hmm… mal schauen, wann sich im dichten Reisekalender mal wieder eine Reise in den Norden klappt. 😉
Immer das gleiche mit der Zeit. Geht mir nicht andersh. Aber Schottland ist schon nochmal einen Abstecher wert!
Ich kann dich verstehen, daß Du den Kassierer nicht verstanden hast! Mein ehemaliger Chef war Schotte. Wenn er vor native Speaker gesprochen hat, konnte ich ihn nicht verstehen, wenn er in Deutschland war und in unserem deutschen Büro vor nur Deutschen sprach, konnte man ihn etwas (minimal) besser verstehen….
Allerdings hatte ich als ich nach Bayern zog auch so meine Probleme und konnte das erste Jahr unseren Hausmeister nicht verstehen. Aber vielleicht stelle ich mich auch doof an….
LG
Martina
Ich gebe bei Bedarf gerne Nachhilfe 😉
Witzige Idee mit den bayerischen Schotten äh schottischen Bayern 😉 Mir geht es als Nordlicht in beiden Ecken so, muss dreimal nachfragen, bevor ich die Antwort verstehe.
Nessi habe ich am Loch Ness auch nicht getroffen, aber ein anderes Urgestein, Udo Lindenberg.
Liebe Grüße, Ines
Ha, ha! Udo, den Nuschler versteht man allerdings auch nicht 😉
Super toller Beitrag, Eva und echt extrem unterhaltsam 😉 Ich bin ja aus dem tiefsten Niederbayern und konnte mich bei der Supermarktgeschichte größtens amüsieren, weil eine Freundin aus Franken hier bei mir in der Gegend da letztens auch ihre Probleme hatte. Bayern ist halt nicht gleich Bayern 😉 Und dass man die Schotten schlecht versteht, weiß ich nur zu gut. Habe in Australien drei Monate lang mit einem zusammengewohnt und die ersten paar Wochen immer nur gelacht als er was gesagt hat, weil ich nichts verstanden habe 😉 Schottland statte ich hoffentlich auch bald mal einen Besuch ab! Liebe Grüße, Ella von Ella Happylicious
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Toller und lustiger Beitrag!
Wir waren mal ein Wochenende in Edinburgh auf dem Military Tattoo. Aber da haben wir von Schottland ja nicht all zu viel gesehen.
Als Irland Fans steht Schottland auch ganz weit oben auf der Liste und wird bestimmt in nächster Zukunft mal in Angriff genommen.
Dein Bericht macht auf jeden Fall Lust auf Schottland!
Liebe Grüße
Jenny
Zumindest habt ihr einem sehr wichtigen schottischem Event beigewohnt, nicht!?
Pingback: Loch Ness: Der Tag an dem ich Nessie sah
Inverness ist ein herrlichen Fleck! Das erinnert mich an unseren damaligen Reiseleiter: „Machen sie sich nichts draus, wenn sie den Busfahrer nicht verstehen. Ich lebe seit 10 Jahren hier und muss oft dreimal nachfragen…“
In den Worten steckt so viel Wahres 😉
LG Daniel
Einfach zu uns kommen :
http://Www.facebook.com/Cawdorhouse
Münchner Paar betreibt B&B in NAirn bei Inverness :))
herzlich willkommen oder einfach mal auf Trip advisor unsere Bewertungen lesen :))
Viele Grüße Anika & Andy Schulz
Wunderbar! Weil es wie aufs Auge passt lass ich Euren Link auch gerne stehen. Wie fühlt ihr Euch als Bayern unter Schotten?
Jetzt würde mich aber schon interessieren, was „yupty“ heißt 🤣. Aber wir hätten das auch nicht verstanden bei unserem Besuch in Inverness. Was den Kilt anbelangt, so haben wir bei unserem Besuch in Inverness auch einen Mann im Kilt gesehen. Offenbar sieht man das dort öfter.
Ich musste mich auch aufklären lassen. Es bedeutet unngefähr soviel „what are you up today“?
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